Immer wieder inspirieren die Texte Christine Lavants auch andere Künstler und Künstlerinnen für ihre eigene Arbeit. Annemarie Türk, Vorstandsmitglied der ICLG, führte ein Interview mit der Wiener Künstlerin Eva Choung-Fux, die eine Reihe ihrer Werke der großen Kärntner Dichterin gewidmet hat.
Annemarie Türk: Wann begannen Sie sich mit Christine Lavant und ihren Texten zu beschäftigen?
Eva Choung-Fux: In den achtziger Jahren war es ihr CV und die Gedichte aus „Spindel im Mond“, „Die Bettlerschale“ die mich bannten. 1998 befasste ich mich intensiv mit dem Prosawerk „Das Wechselbälgchen“. Christine Lavant ist in die tiefsten Untiefen ihrer assoziativen Ansammlung von Eigenerfahrung, überpersönlichem Erahnen, Verstehen, Begreifen abgetaucht. Und aus den Tiefen trägt sie dem Ursächlichsten am Menschsein – der Liebesfähigkeit – auch im verlogenen, feindlich-feigen und abgestumpften Geflecht von menschlichen Unfähigkeiten – den Funken einer Chance.
1998, in einem Kärntner Kurheim, entstanden die ersten kleinformatigen Skizzen zum „Wechselbälgchen“. 1999 der 7-teilige Zyklus „Christine Lavant – Prosa“, im Jahr 2000 das Diptychon „Christine Lavant – Lyrik“.
Türk: Haben Sie Christine Lavant jemals persönlich kennen gelernt?
Choung-Fux: Nein.
Türk: Beziehen sich Ihre Bilder auf einzelne Gedichte, Textzeilen oder reflektieren sie Texte in ihrer Gesamtheit?
Choung-Fux: Prosa wie Lyrik von Christine Lavant machen etwas mit mir. Sie werfen mich durch Mauern von Beiläufigkeit hindurch auf Prüfstände. Eine Phrase, eine Anrufung, eine Werke-Gesamtheit, die Dichterin benutzt dieselben Worte unserer Muttersprache Deutsch wie wir – und doch evoziert sie Anderes, öffnet und weitet auch meine Bewusstheit.
Türk: Ihre abstrakte Malerei hat einen sehr poetischen Gestus und schreibt die Lavantsche Poesie ins Visuelle weiter …
Choung-Fux: Meine, der Dichterin gewidmeten Arbeiten haben mit Demut zu tun. Ich nehme ihre Texte sehr langsam und stumm lesend auf. Später lese ich dieselben laut und nehme meine Stimme auf Tonband auf. Hörend schreibe ich. Die Übertragung des Gehörten in Aufschreibung entzieht sich in der Folge dem Lesen. Durch vielfaches Übereinanderschreiben des Textes vernetzen sich alle Worte und dergestalt reiche ich sie „in abstractum“ der Dichterin wieder.
Türk: Sie beschäftigen sich in ihrer Arbeit oft mit Literatur und verschiedenen SchriftstellerInnen – welche Impulse empfangen Sie von Ihnen und ihren Texten? Und was macht dabei die Besonderheit von Lavants Texten aus?
Choung-Fux: Mich fasziniert Kommunikation über alle Maßen. Die Notationen von Musik, Literatur im Besonderen. Über die Hochachtung die ich ihrem Werk entgegenbringe hinaus, bindet mich Verehrung und persönliche Anteilnahme an den Lebenslauf von Christine Lavant. Es ist als ob von ihrer großen Kraft in aller Schwäche etwas zu mir strahlte und sich in meiner Arbeit wiederfände.
Eva Choung-Fux, in Wien geboren, studierte an der Akademie für angewandte Kunst in Wien. Mit ihrem Mann Young Jin Choung lebte sie zwischenzeitlich in Japan und Südkorea. Professorin für Druckgrafik und Fotografie an der Universität für angewandte Kunst Wien, Gastprofessorin an Universitäten in Asien, Europa und den USA. 2000 verlegte sie ihren Lebensmittelpunkt nach Mallorca.
Eva Choung-Fux arbeitet mit den Medien Malerei, Druckgrafik und in ihren Skulpturen in bedächtigen Arbeitsschritten und mit abstrakten Notationen. In der Fotografie hält sie die Wirklichkeit in Bruchteilen von Sekunden als Metapher ihrer selbst fest. Ihr Werk und ihre Person sind ständig verbunden mit zeitgenössischen Komponisten und Dichtern unterschiedlichster Nationalitäten und Kulturen, immer wieder sucht sie aber auch den Bezug zu Personen und Geschichten der Vergangenheit. Dabei ist ihre Kunst Ausdruck von Protest und Agonie, aber auch von Sehnsucht und Hoffnung unserer Zeit.
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