Das Künstlerehepaar Gunda König und Dieter Kaufmann hat sich seit vielen Jahren – jeder auf seine Weise – sich mit dem Werk Christine Lavants auseinandergesetzt.

Der Komponist Dieter Kaufmann hat die „Aufzeichnungen aus einem Irrenhaus“ als Grundlage für eine Komposition genommen, die Schauspielerin Gunda König hat einige Leseabende, die Christine Lavant gewidmet waren, gestaltet. Annemarie Türk, Vorstandsmitglied der ICLG, führte das folgende, sehr aufschlussreiche Interview mit den beiden.

 

Annemarie Türk: Dieter Kaufmann, Sie haben sich als Komponist mit Texten von Christine Lavant auseinandergesetzt und die „Aufzeichnungen aus einem Irrenhaus“ musikalisch umgesetzt. Passierte diese Annährung gemeinsam oder getrennt voneinander und was hat sie zu dieser intensiven Beschäftigung bewogen?

Dieter Kaufmann: Unser Interesse an Christine Lavant ist unabhängig voneinander entstanden. In meinem Blickwinkel war Christine Lavant schon seit den 60er-Jahren, als ich mein Germanistikstudium mit einer Dissertation über sie beenden wollte. Dazu ist es dann allerdings nicht gekommen.

 

Türk: Gunda König, Sie haben sich als Schauspielerin dem Werk Christine Lavants angenommen und viele Abende, oft gemeinsam mit Musikern, gestaltet.

Gunda König: Als Schauspielerin war ich gerade in meinem ersten Engagement im Stadttheater Klagenfurt (1969) und besuchte die Lesung einer Kollegin mit Lyrik von Christine Lavant. Bis dahin kannte ich nichts von ihr. Bei dieser Lesung – es war eine schon erfahrene und „reife“ Tragödin – stellte ich fest, dass ich nichts verstehe. Damals dachte ich, man müsste auch „komplizierte und verschlüsselte“ Lyrik so einfach lesen, bzw. interpretieren können, dass sie dem Publikum verständlich und begreifbar wird – und davor natürlich einem selbst. Wie hat Paul Celan gemeint, als man ihn für seine Lyrik um Rat fragte: „Lesen und immer wieder lesen“. Das ist mir ein Leitfaden bis heute.

 

Türk: Dieter Kaufmann – wann wurde diese Komposition aufgeführt, wo und mit wem?

Kaufmann: Meine Komposition von „Aufzeichnungen aus einem Irrenhaus“ ist in den Jahren 2011 und 2012 für Aufführungen des Vokalensembles „Hortus Musicus Klagenfurt“ in vier Teilen entstanden. Die Uraufführung des gesamten Werks fand am 26. Juli 2012 im Günther Domenig – Steinhaus in Steindorf am Ossiachersee statt und wurde am 10. Jänner 2013 vom ORF im Ö1 Zeitton gesendet.

 

Türk: Gunda König – sie wurden ja eingeladen, auch am und für den Tonhof einen Lavant-Abend zu konzipieren und aufzuführen. Der Tonhof von Gerhard und Maja Lampersberg war nicht nur für viele Jahre eine wichtige Begegnungsstätte für junge Künstlerinnen, es war auch für Christine Lavant von großer Bedeutung. Mit dem Ehepaar Lampersberg hat sie ja eine sehr intensive Freundschaft verbunden – war es also etwas Besonders dort zu lesen?

König: Der Tonhof ist natürlich der Ort, wo die Lavant noch spürbar ist; wo ich über sie durch Maja und Gerhard Lampersberg auch privaten Einblick bekommen habe. Es war daher eine Art Erfüllung, dort Christine Lavant zu lesen und das war es nicht nur für mich, sondern auch für die Musiker des „Christine Lavant Quartetts“, gegründet von Alexander und Isabelle Eberhard. Wir lasen und spielten dort am 20. und 21. Juni 2015 unter dem Titel „So nah ging mir die Nacht noch nie“.

 

Türk: Wie haben Sie beide die Rezeption ihrer Lavant-Abende bzw. Konzerte erlebt?

Kaufmann: Die Aufführungen sind auf großes Interesse gestoßen. Am 4. Oktober 2013 fand eine Aufführung im Tonhof-Stadel in Maria Saal statt, zu der auch Schulklassen eingeladen waren und Aufsätze über ihre Eindrücke schreiben sollten.

König: Ich hatte Lesungen auch im Musil-Literaturhaus Klagenfurt, in Maria Saal, Feldkirchen, Viktring, in der Alten Schmiede Wien – die Erfahrung war immer dieselbe: Christine Lavant interessiert, sie wird geschätzt und geliebt.

 

Türk: Ist ihre Auseinandersetzung mit Christine Lavant damit zu Ende oder wird sie ihre Dichtung auch in Zukunft beschäftigen. Dürfen wir uns Neues erwarten? Es liegt ja nun eine 4-bändige Werkausgabe vor, in der es viel bislang Unbekanntes, Unpubliziertes zu entdecken gilt.

Kaufmann: Für mich ist die Auseinandersetzung mit dem Werk Christine Lavants eher abgeschlossen. Ihre Lyrik empfinde ich selbst als Musik, der ich nicht unbedingt etwas hinzufügen will. 2016 wirkte ich als Komponist beim Tanztheaterstück „Die Vögel der Christine“ von Eva Reitmann im Theater des Klagenfurter Ensembles (KE) mit, das aus der Auseinandersetzung mit dem Gedicht „Ich möchte einen Becher haben“ entstanden ist.

König: Das Werk von Christine Lavant, ihr Leben, ihre Persönlichkeit und ihre Freundschaften sind aus dem Schatz des Weltkulturerbes nicht mehr wegzudenken und immer noch Anlass, sich damit zu beschäftigen. Sie ist eine Konstante in meinem Leben geworden.

 

Türk: Was macht die Beschäftigung mit Christine Lavant heute, 40 Jahre nach ihrem Tod so interessant und wichtig für kommende Generationen?

König: Ihre Texte sind voll Anteilnahme am Leiden ihrer Mitmenschen und gehen immer wieder auf kritische Distanz zum Begriff der göttlichen Allmacht, die dieses Leiden nicht verhindert.

 

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© Klara Kaufmann

Gunda König

Drei Jahre Lehrtätigkeit am Lycée français in Wien, gleichzeitig Schauspielausbildung. Engagements am Stadttheater Klagenfurt, den Komödienspielen Porcia, am Theater der Jugend, Theater an der Wien, Volkstheater etc.; Rundfunk (internationaler Hörspielpreis „Prix futura“) und Fernsehen. 1975 Gründung des „K&K Experimentalstudios“ mit dem Komponisten Dieter Kaufmann. Tourneen und Auftritte in Europa, Nord- und Südamerika. Mitwirkung als Schauspielerin in mehreren Opern-Uraufführungen (Lampersberg, Logothetis, Zykan, Alcalay, Kaufmann, P. Androsch).

 

Interview : Dieter Kaufmann

© Regine Hendrich

Dieter Kaufmann

Geb. 1941 in Wien, in Kärnten aufgewachsen, Studien in Wien und Paris, em.Univ.Prof., 2001-13 Präsident der Austro Mechana, Komponist von elektroakustischen, vokalen und instrumentalen Werken, von Musiktheater und Multimedia-Produktionen, die er zusammen mit seiner Frau Gunda König mit dem K&K Experimentalstudio/MusikTheater-Verein K&K seit 1970 international aufführt