Christine Lavant hat bei einem ihrer Wien-Besuche Lotte Tobisch kennengelernt. Die Burgschauspielerin und Grande Dame der Wiener Society, später bekannt geworden als unübertroffene Organisatorin des Wiener Opernballs (1981 – 1996) ist 2019 verstorben. In ihrem Nachlass, der zum Teil der Wien Bibliothek übergeben wurde, finden sich zwei Briefe der Kärntner Dichterin, die von einer ungewöhnlichen Freundschaft erzählen.

Gegensätzlicher können Frauen nicht sein:

Hier die elegante Lotte Tobisch aus einer großbürgerlichen, adeligen Familie, zu Hause in der Welt des Theaters und in Kontakt mit namhaften Intellektuellen. (u.a. ist ihr Briefwechsel  mit Theodor Adorno in Buchform erschienen).

Und dort die einzigartige, in ihrer Erscheinung dem ärmlichen Milieu ihrer Herkunft tief verbundene und dabei so enigmatische Persönlichkeit Christine Lavant.

Wir haben keine genaue Kenntnis von den Begegnungen der beiden Frauen, wir wissen, dass Lotte Tobisch für Christine Lavant öfters Karten fürs Burgtheater oder die Staatsoperbesorgt hat, vielleicht sogar mit ihr einzelne Vorstellungen besucht hat. Es ist anzunehmen, dass die Dichterin auch bei ihr zu Hause zu Gast war.

Es sind in beiden Fällen Dankesbriefe, einmal für Fotos, die ihr Lotte Tobisch geschickt hat, einmal für eine Karte – diese Grüße haben Christine Lavant  sehr gefreut, sie hat diese Aufmerksamkeiten auch als ein Zeichen von Zuneigung verstanden und hat umgekehrt ohne Scheu ihre Bewunderung für die Wiener Freundin zum Ausdruck gebracht.

Originalbrief – Quelle: Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung, Nachlass Lotte Tobisch, ZPH 1827

„Liebe Lotte Tobisch!

Sie sind ein bezauberndes Geschöpf. Daß ich Sie von Anfang an mochte, werden Sie vermutlich gespürt haben. Es ist nicht leicht, mich aus meiner Dumpfheit und Verlassenheit auch nur etwas zu (erhöhen?), aber Ihre Pfingstkarte vermochte es. Liebe, ich hätte es mir bei Gott nicht vorstellen können, daß ein so bezauberndes Geschöpf auch Einsamkeit überstehen muß.

Wenn einige m. Gedichte Ihnen tatsächlich zusagen, dann wird es mich vielleicht nicht mehr so davor ekeln. Wie gütig und großzügig Sie sind. Fast hätte es mich weinen gemacht.

Seien Sie gesegnet und bedankt dafür

Von Ihrer Christine L.“

Die Transkription folgt der Schreibweise der Autorin.

Diese beiden Briefe sind undatiert und so ist nicht genau zu eruieren, wann diese geschrieben wurden. Auch die Poststempel geben keinen Hinweis, da diese über die Jahre unleserlich geworden sind.

In jedem Fall aber sind sie ein beredtes Zeugnis dafür, wie Christine Lavant mit Ihren Texten, aber auch als Person die engen Grenzen ihrer Kärntner Heimat  hinter sich lassen konnte und überall große Anerkennung fand.

Annemarie Türk