Manfred Müller und Jenny Erpenbeck – © ÖGL

Ein Film, drei neue Bücher, eine Vielzahl von Ausstellungen und Veranstaltungen in Wien, Salzburg, der Steiermark und Kärnten bereicherten dieses Jahr 2023, in dem sich der Todestag von Christine Lavant zum 50. Male jährt. All diese Aktivitäten und Projekte machen deutlich, wie aktuell das Werk der Kärntner Dichterin ist, es immer noch und immer wieder Menschen berührt und sie die Auseinandersetzung  mit der Person wie auch ihren Texten suchen.

Der ORF produzierte mit der Kärntner Filmfirma Graf die TV-Dokumentation „Wie pünktlich die Verzweiflung ist“ (Buch und Regie Danielle Proskar), die am 5. Juni in Treffpunkt Kultur/ORF II das erste Mal ausgestrahlt wurde.

Klaus Amann legte eine beeindruckende Auswahl von Briefen, Texten und Dokumenten unter dem Titel „Ich bin maßlos in allem. Biographisches“ (Wallstein Verlag) vor, die unter anderem erstmals einen Teil des Briefwechsels mit Werner Berg öffentlich macht. Dieses Buch wurde am 26. September im Literaturhaus vorgestellt, sowie im November im Rahmen der Buch Wien. Das Interesse war da wie dort sehr groß.

Die deutsche, vielfach ausgezeichnete Schriftstellerin Jenny Erpenbeck legte in der Reihe „Bücher meines Lebens“ (Kiepenheuer & Witsch) einen bemerkenswerten Essay über Christine Lavant vor, in dem sie von ihrer Annäherung und Auseinandersetzung mit Leben und Werk erzählt und die Leser und Leserinnen teilhaben lässt an ihrer Faszination für Christine Lavant. Jenny Erpenbeck zeichnet auch verantwortlich für eine Auswahl von Gedichten, die unter dem Titel „Seit heute, aber für immer“ auch im Wallstein Verlag erschien und beschließt diese Ausgabe mit einem berührenden wie interessanten Nachwort. Beide Bände wurden in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur am 28. November vorgestellt.

Jenny Erpenbeck – © ÖGL

Auch Theaterbühnen widmeten Aufführungen der Dichterin Christine Lavant. Allen voran das Burgtheater: am 26. April konnte man die musikalisch begleitete Lesung „Leise lieb ich mich in dich hinein“ im Kasino sehen und hören¸ am 25. Oktober lasen im großen Haus Klaus Maria Brandauer und Heidelinde Weis aus dem Briefwechsel Christine Lavant und Werner Berg. Es war dies der letzte Bühnenauftritt von Heidelinde Weis, die Ende November in Villach verstarb.

Im Rahmen des Österreich-Gastland-Auftritts bei der Buchmesse Leipzig präsentierten Brot & Sterne in der Schaubühne Lindenfels ihre vielfach akklamierte musikalische Lesung des „Wechselbälgchen“ mit Schauspielerin Anne Bennent.

Die Ensemble Porcia in Spittal/Drau veranstaltete am Todestag, dem 7. Juni, in den ausverkauften Probebühnen, eine Lesung mit Musik und einem Gespräch über Christine Lavant.

In der Steiermark zeigte die Kulturinitiative Kürbis in Wies eine Hommage an Christine Lavant zum 50. Todestag „Leben in der Vorhölle“. Die szenische Lesung wurde im November aufgrund des Erfolgs und der großen Nachfrage wieder aufgenommen.

Im Burghof der Stadt Klagenfurt brachte die Regisseurin Ute Liepold eine Collage von Texten Christine Lavants auf die Open-Air-Bühne: Christine Lavant – ein Theaterstück.

In der Ingeborg-Bachmann-Kuppel wurdeam 4. Mai am Wiener Karlsplatz Christine Lavant gedacht und am 25. Mai lasen und sangen Erika Pluhar und Ramona Kasheer mit Musikerinnen aus den USA und Australien im Porgy & Bess.

Die Veranstaltungsreihe im Literaturhaus Wien „Lavant lesen“ ging mit Klemens Renoldner und dem Lavant-Preisträger 2022 Alois Hotschnig in die siebente Runde.  „Dem Hindernis einen Sinn geben“ war Ausgangspunkt für ein inhaltsvolles Gespräch zu ausgesuchten Texten Lavants am 16. Mai.

Das bekannte Musikensemble Hortus Musicus Klagenfurt gestaltete im März in Klagenfurt und Villach Konzerte mit unterschiedlichen Vertonungen von Lavants Gedichten unter dem Titel „Ich hab genug erfahren“, im Juli folgte die Wiederaufführung von Dieter Kaufmanns musikalisch-szenischer Bearbeitung der „Aufzeichnungen aus einem Irrenhaus“

„Lavant auf Stein“ – © Ernst Peter Prokop

Im Musil-Museum in Klagenfurt waren gleich zwei Ausstellungen zu Christine Lavant zu sehen. „Lavant auf Stein“ ein gemeinsames Projekt des Fotografen  Ernst Peter Prokop und des bildenden Künstler Ernst Gradischnig, das nun zum ersten Mal gezeigt wurde. Die Ausstellung „I, die Lavant“ in der Literatur Lounge, vereinte  9 Künstler und Künstlerinnen, die sich in unterschiedlichsten Medien – Malerei und Zeichnungen, Strick-Objekte, Stein-Skulpturen, Scherenschnitte und Video – dem Werk von Christine Lavant annäherten.

Die steirische Künstlerin Luise Kloss, die sich seit 2015 jeden Sommer einen Monat zurückzieht, um ungestört an einem Gedicht von Christine Lavant zu arbeiten, zeigte die dabei entstandenen Buchobjekte und Bilder anlässlich des Gedenkens zum 50. Todestag in Millstatt und Graz.

Es ist eine beeindruckende Liste von Projekten und Veranstaltungen und trotzdem kann dieser Rückblick keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sondern erfasst nur jene Projekte und Veranstaltungen, von denen wir Kenntnis erhielten. Aber diese Vielzahl und auch diese Vielfältigkeit unterstreichen einmal mehr, dass Christine Lavant und ihr Werk in dieser von Krisen geschüttelten Welt eine Renaissance erlebt, dass ihre literarische Stimme in diesen unsicheren Zeiten den Interessierten und Lesenden Orientierung zu geben vermag.

Neuerscheinungen 2023 – © Wallenstein, Kiepenheuer & Witsch

Text: Annemarie Türk