Medienkünstlerin Ina Loitzl
© Peter Putz

Die bildende Künstlerin Ina Loitzl stammt aus Kärnten und obwohl sie seit vielen Jahren in Wien  lebt und arbeitet, hat sie die Verbindung zu ihrem Heimatbundesland nie abreißen lassen.  Sie ist in die Kärntner Kunstszene sehr eingebunden und mit ihren Arbeiten in vielen Ausstellungen präsent. Sie pflegt aber auch eine Affinität zur Literatur, die immer wieder in ihren bildnerischen und filmischen Projekten zum Tragen kommt. Über ihre neueste Arbeit erzählt sie im Gespräch mit Annemarie Türk.

AT: Du hast in den letzten  Wochen einen Kurzfilm über Christine Lavant fertig gestellt. Nach einer Arbeit über Ingeborg Bachmann ist dies nun deine zweite filmische Auseinandersetzung mit einer Schriftstellerin. Was bewegt Dich, Leben und Werk von AutorInnen zum Thema Deiner künstlerischen Arbeit zu machen?

IL: Als ich 2006 von Prof. Friedbert Aspetsberger zu einem Animationsfilm über Ingeborg Bachmann eingeladen wurde, habe ich in der Recherche entdeckt, dass es keine bzw. wenig Erinnerungstafeln zu Ingeborg Bachmann in Klagenfurt gab. So waren z. B. keine bei ihrem Wohnhaus (das nun zu einem Bachmann Museum umgebaut wird) und ihrem Geburtshaus zu finden. Ihr Grab war eines von vielen am Friedhof Annabichl. Ich habe mich dann geleitet von ihrer Monographie und meiner Kamera in Klagenfurt auf die Suche nach ihren Spuren gemacht.

Es stellt für mich als Zeitungsleserin und Hörbuchverschlingerin einen großen Reiz dar – über Schriftstellerinnen, zu denen ich einen Bezug habe, nicht zuletzt durch die gemeinsame Kärntner Heimat – einen Film zu machen. Ihr Leben facettenhaft in Form eines Kurzanimationsfilms in meiner Bildsprache mit ausgesuchten Zitaten aus ihren Werken wiederzugeben. Das ist ein völlig neues Terrain für meine Arbeit. Und zusätzlich möchte ich mich für die mangelnde Präsenz von Künstlerinnen generell stark machen.

AT: Und warum nun Christine Lavant ?

IL: Als ich 2019 im Robert Musil Literaturmuseum mit Heimo Strempfl auf einen Kaffee saß  – neben der Tafel mit ihren Lebensdaten und dem nachgebauten Zimmer – wurde mir klar – die Lavant ist die Frida Kahlo der Kärntner Literatur ! Auch wenn das Zimmer dort noch so schrullig ist – ich liebe seit Kindestagen Heimatmuseen, da sie mir das Gefühl der Präsenz dieser Menschen aus einer vergangenen Zeit vermitteln. Die Lavant war mir auf einmal sehr nah.

In dem Moment entstand das Bedürfnis, einen Animationsfilm über sie zu machen. Zusätzlich gibt es zu meiner eigenen künstlerischen Arbeit Parallelen: Ich nähe Textilobjekte und Christine Lavant hat über viele Jahre ihr Geld als Strickerin verdient. Und ich fertige seit über 7 Jahren Scherenschnitte an, diese Praxis schafft eine Nähe zu den Holzschnitten von Werner Berg.

AT: Eine bildende Künstlerin entwickelt sicherlich einen ganz besonderen Blick auf eine Dichterin. Sind es biografische Momente und/oder das literarische Werk, das Dich dabei besonders interessiert ?

IL: Zuerst war es ihr Leben, ihr Leiden, ihre Kindheit und Jugend, ihre schwierige Beziehung zu Werner Berg, ihre besessenen Schreibphasen und ihr Aufenthalt in der Psychiatrie.

Durch diese Auseinandersetzung bin ich immer mehr in ihre Gedichte eingetaucht – und es wurde mir klar, wie sehr sie mit einem recht reduzierten Vokabular so wunderbar surreale Bilder erzeugen konnte – ihre Sprache ist unglaublich phantastisch und bildhaft zugleich – ein Geschenk für mich als bildende Künstlerin.

AT: Du hast einen sehr assoziativen Zugang gewählt – Textausschnitte, das Kopftuch, das für Christine Lavant so charakteristisch ist ….

IL: Ja natürlich kannte ich das Zitat von Fabjan Hafner – die Lavant ohne Kopftuch! Ich konnte überhaupt mit vielen viele Gespräche über sie führen. Das Kopftuch, das sie wegen ihrer Brandverletzungen trug, hat sie in die Ecke der kopftuchtragenden Frauen am Land gedrängt. Aber sie war – ähnlich traditionell, aber doch anders wie Frida Kahlo gekleidet – alles andere als angepasst. Sie hat geraucht, getrunken, sie muss unglaublich witzig und ironisch gewesen sein – wie mir erzählt wurde – und konnte eine ganze Runde unterhalten. Sie war ganz und gar kein altes Weiblein, sie schrieb auch nie in Mundart, was man vielleicht aufgrund ihres Äußeren hätte annehmen können.

Ich wollte sie zeitgenössischer darstellen, ins hier und heute holen – daher auch der Lolli, die Wasserwege in Form von Stauseen, Bächen, Wasserfällen, sie ging ja gerne spazieren; das Lungenbild, um ihre Krankheit zu thematisieren; ihren Geburtstag – als Jahr der freiwilligen Einweisung. Das leere Atrium, sie immer alleine im Raum – das soll auch ihre Konzentration auf ihre Tätigkeit – das Schreiben und Lesen – ins Bild rücken.

Lavant Lyrik
© Ina Loitzl

AT: Wie kam es zu dieser Textauswahl ?

IL: Das war ganz assoziativ und ich habe nachTexten gesucht, die das Thema Wasser behandelten– immerhin hat sie ihr Pseudonym auf den Fluss ihrer Umgebung aufgebaut. Weiters war ihre Einsamkeit immer Thema und die Nächte, ich denke – dass lag an ihren Schlafstörungen – in der Nacht vermittelt einem die Stille dieses Gefühl des Alleinseins.  Das manische Schreiben mit den vielen Papierschleifen – nicht enden wollendes Papier und eine intensiv bewegte schreibende Hand  – so war sie in ihrem Element.  

AT: Der Titel Deines Films – Ich, die Lavant – klingt sehr selbstbewusst, ist Ausdruck einer Selbstbehauptung der Dichterin.  Was bewog Dich, diesen Titel zu wählen ?

IL: Ich war geschockt – dass trotz der Preise, die sie zeitlebens erhielt, keine Monografie publiziert wurde. In Bachmanns Fall gab es eine. Kaum Filmmaterial – die Ausnahme bildet der mir im Robert Musil Literaturhaus gezeigte Schulfilm aus dem Jahr 1968.

Maja Haderlap hat die Erzählung „Das Wechselbälgchen“ dramatisiert und mit dem Puppenspieler Nikolaus Habjan  2015 im Wiener Volkstheater auf die Bühne gebracht. Ohne die Internationale Christine Lavant Gesellschaft wäre sie nicht sichtbar. Obwohl sie ein unglaubliches Werk geschaffen hat, das nun endlich in 4 Bänden erschienen ist. Dieses Schicksal teilen so viele Künstlerinnen, ohne ordentliche Nachlassverwaltung, ohne Monographien, ohne Museen, die ihr Werk betreuen, werden sie immer unsichtbarer. Im schlimmsten Fall verschwinden sie ganz.

AT: Wo ist dieser Film entstanden? Soviel ich weiß nicht in Kärnten, nicht im Lavanttal, sondern andernorts. Ein Zufall?

IL: Nein, ich war bei ihrem Grab in St. Stefan, am Thonhof – habe dort die ersten Filmversuche gemacht. Dann wurde mir klar, ich möchte sie aus diesem Tal herausholen, sonst bleibt sie ewig nur die Dichterin aus dem Lavanttal. Daher kam mir die drei-wöchige Artist in Residence Zeit auf Schloß Wiespach in Hallein gerade recht – das Wasser, die Salzach und ihre Nebenflüsse,  die Natur, die Altstadt mit der alten Architektur kamen mir sehr passend vor. Das blaue, künstlerisch gestaltete Zimmer am Dachboden des Schloß Wiespach waren dann der Tupfen auf dem I.

AT: Hast Du bei der Produktion dieses Films an eine bestimmte Zielgruppe gedacht oder einen bestimmten Ort ? Der Film über Ingeborg Bachmann ist ja im Musil Museum zu sehen ….

IL: Es sollte ein Film für jung und alt werden – ein Film für Lavant Groupies aber auch Kunst-, Film- und natürlich auch Literaturbegeisterte.

Es gab ein erstes Vorscreening zu den Donnerszenen gemeinsam mit dem Robert Musil Literaturmuseum und Dr. Heimo Strempfl im Sommer 2021 in Klagenfurt.

In Gmünd im Kulturkino hatte der Film im Oktober 2021 sein zweites Screening und ein weiteres kleines Publikum. Als Vorfilm vor einem französischen Film über eine Bibliothek zurückgewiesener Bücher: „Der geheime Roman des Monsieur Pick“. Auch Lavant hatte so viele Texte, die erst lange nach ihrem Tod veröffentlicht wurden.

Für Festivals hat der Film „I, die Lavant“ nicht die klassische Länge mit über 16 Minuten, für einen Kurzfilm ist er zu lang, und zu kurz für Spielfilme.

Daher wäre „I, die Lavant“ für einen musealen Raum mit einem permanenten Screening ideal. Ob er in das Lavant Zimmer in Klagenfurt findet oder in das Lavant Haus oder ins Werner Berg Museum in Kärnten?

Er sucht noch Asyl – über einen Ankauf durch das Land oder einer privaten Institution würde ich mich sehr freuen – mir schwebt auch eine Rauminstallation gepaart mit einem Filmscreening vor.

Zuerst müsste aber eine Institution Interesse zeigen – ich werde jetzt mal anklopfen – oder noch besser – ich bin offen für Vorschläge und Einladungen und Ideen.

Übrigens: bei den Donnerszenen – wo ich auch die Scherenschnitte, die dann kaum Teil des Films geworden sind, mit gezeigt habe – war ich so aufgeregt wie noch nie. Ich wusste nicht, wie Literaturaffine mit meinem Lavantbild umgehen würden. Es gab sehr positives Feedback danach – auch von meiner mit mir am Podium sitzenden älteren und geschätzten Kollegin Caroline.

Was für eine Freude für mich!

Manisches Schreiben
© Ina Loitzl

Gerne nehme ich Ideen und Vorschläge entgegen oder beantworte Fragen.
Sie erreichen mich unter:
Ina.loitzl@gmx.net
www.inaloitzl.net

Biographie
Ina Loitzl studierte am Mozarteum in Salzburg Grafik, Visuelle Medien und Textilkunst und in Wien an der Universität für Angewandte Kunst bei Prof. Peter Weibel. Sie arbeitet mit den unterschiedlichsten Medien – Fotografie, Trickfilm, Video, Objektkunst und Installation. Selbst Künstlerin, Ehefrau und Mutter, untersucht sie die verschiedenen Rollenbilder, die Frauenkörpern von der Gesellschaft zugeschrieben werden. Mit ihren textilen Objekten, führt sie traditionelle, weibliche Techniken in ihrer Skurrilität ad absurdum.

Die Liste der musealen Ausstellungen ist lang, international und reicht von der Albertina Wien bis zum National Taiwan Museum. Ihre Werke finden sich in vielen öffentlichen wie privaten Sammlungen in Österreich, Italien und Rumänien.

Zur Zeit sind fast alle ihrer Scherenschnittarbeiten im Museum Angerlehner in Thalheim bei Wels zu sehen. Bis 20. März 2022.